Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben. Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.
Joh 10, 9-11
Vielleicht ist das Gleichnis vom guten Hirten für uns heute schwierig zu verstehen. So geht es mir wenigstens… schon alleine die Vorstellung, dass ich mit einem Schaf verglichen werde, fällt mir im 21. Jahrhundert schwer. Auch das gezeichnete Bild vom Dieb ist so nicht mehr zeitgemäß. Sollen wir das Gleichnis also abhaken? Wenn wir uns anstrengen, dann können wir diese Vorurteile alle außer Acht lassen und uns auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich auf die Zusage, dass Jesus immer für uns wie ein guter Hirte ist, der da ist, hütet und nicht bewacht, der für seine Tiere die beste Weide aussucht, der sie pflegt und hegt und bereit ist, sogar sein Leben für uns hinzugeben, wie er es in der Karwoche eindrucksvoll bewiesen hat. Ja, es gibt auch Hirten, die nicht gut sind, die nur auf ihren Profit aus sind und sich nicht tatsächlich um kranke und verlorene Schafe kümmern. Gerade Letzteres, sich um kranke und verlorene Mitmenschen zu kümmern, das geht uns alle an und ist nicht die Aufgabe der Caritas alleine, der Krankenhäuser und Sozialverbände!
Eine Freundin von mir erzählte mir, dass sie vor kurzem ein anhaltend schlechtes Gewissen gehabt habe, weil sie nicht fünf Minuten Zeit für eine ältere Dame hatte. Sie sagte mir, sie sei fest davon überzeugt, dass das eine verpasste Gelegenheit war, Nächstenliebe zu üben und sich die Zeit zu nehmen, zuzuhören und die alte Dame gegebenenfalls auf eine Tasse Kaffee einzuladen oder einfach nur da zu sein, sie nach Hause zu bringen, guter Hirte/gute Hirtin zu sein.
Vielleicht bekommt das Gleichnis des guten Hirten unter einem solchen Blickwinkel eine völlig neue Dimension, die uns auch heute noch etwas sagen will und kann. Sind wir gute Hirten?
Ich wünsche uns allen die Zeit für die Menschen, die uns vielleicht stören, die uns unsere Bequemlichkeit rauben, die nerven und die Gott uns schickt, damit wir Ihnen Zeit, Hilfsbereitschaft, Liebe und vielleicht sogar ein paar Euro schenken.