Probe: Mittwochs, 20.00 bis 21.30 Uhr, Pfarrheim St. Johann.
Geleitet wird der Junge Chor St. Johann von Regionalkantor Andreas Hoffmann.
Wir sitzen im Pfarrheim St. Johann, ein Dienstag, alte Probenzeit. Diese Gruppe lieber Menschen, verbunden durch die gemeinsame Leidenschaft zur Chormusik und eine teils jahrzehntelange Verbundenheit. Wo waren die Anfänge des Jungen Chores und über welche Wege hat es uns hierhergeführt?
Beim gemeinsamen Erinnerungen sammeln, überfliegen viele Lächeln und auch manch eine Träne unsere Gesichter und Herzen. Und wie viele unserer Chorgeschwister, so werden auch wir eines Besseren belehrt zu der Annahme, dass Günter Becker der erste Chorleiter des Jungen Chores war. Denn einst gab es eine Gruppe junger Menschen, die unter verschiedenen Chorleitern Musik machten. Unter ihnen Günter, kurz vor Abschluss seines B-Examens. Welches er bestand, die Organisten- und Chorleiter-Stelle erhielt und fortan für zwei Jahrzehnte unser Chorleiter war.
Anfangs noch im kleinen Kreis, auf der Bühne im Pfarrheim St. Johann, wuchs der Kreis der Chorrunde, auch dank seines gemischten Repertoires. 1992 führte Günter die „Mass of Regeneration“ von Alan Wilson auf, Rockmesse genannt, das erste große Werk des Jungen Chores als Aufführung. Weitere Auftritte gab es beim Ehrenamtsempfang, Firmungen, Jugend-gottesdiensten und dem Pfarrfest. Wir probten moderne Gemeindegesänge, gemischt mit zeitgenössischer Musik. Auch in der Osternacht in St. Johann, auf unserer Orgelempore, waren wir ein gern gesehener bzw. gehörter Gast.
Chorprobenwochenenden
Die erste gemeinsame Chorfahrt führte in den Westerwald, ins Großelternhaus eines Chormitgliedes und war der Beginn einer langen von allen geschätzten Tradition. Die nicht nur dem Festigen des jeweiligen Konzertprogrammes diente, sondern mit viel Gelächter, Getränken, Kissenschlachten und Spielen bis spät in die Nacht verbracht wurde. Später wurden diese Wochenenden nach Rollesbroich verlegt, wo wir uns selber versorgten.
Aufführungen
Für die Aufführung der „Gospel Mass“ von Robert Ray besetzten wir die Soliparts aus den eigenen Reihen, eine schöne Herausforderung für den Jungen Chor, die bis heute Tradition hat. Unsere Konzerte waren nicht immer Messen, auch „Jesus Christ Superstar“ gehört dazu - wieder mit Solisten aus dem Chor. Zu unserem Repertoire gehörten diverse Gospel, Spirituals und „neue geistliche Lieder“.
Günter Becker, unser lieber langjähriger Chorleiter und Freund, hat diesen Chor auf seine unverwechselbare Art geprägt und bis heute tiefe Spuren hinterlassen – im Chor und der ganzen Pfarrgemeinde. Musik lag ihm nicht nur im Blut, er hat sie geliebt und gefühlt und bei jeder Chorprobe auf uns übertragen. Der choreigene Begriff GGS (Günters Gänsehaut Song) bringt uns noch heute zum Lächeln und zeigt, wie wichtig es ihm war, uns die Musik beizubringen, mit Ernsthaftigkeit, viel Geduld und genauso viel Humor.
Legendär seine wöchentlichen Witze, sein Schalk im Nacken, der sich versteckt im improvisierten Orgelspiel und auch in manch einer Moderation wiederfand. Ein Mensch, der jeden seiner Chöre, jeden Menschen in jeder Altersstufe verzaubern konnte, mit Lebensfreude, Humor, Taktgefühl und Feinfühligkeit. Er strahlte eine Freude aus, diesen seinen (unseren) Chor zu begleiten. Wir haben uns als etwas Besonderes gefühlt und wir waren stolz darauf, dass er seine ganze Familie in den Chor geholt hat. Als sehr gläubiger Mensch, der immer ein Vorbild für uns bleiben wird, hat er uns gezeigt, das Beste aus Situationen zu machen, die man nicht ändern kann. Er hat durch seine Musik, seine offene Art und seine positive Ausstrahlung den Chor geprägt und am Leben gehalten, uns wie einen großen Freundeskreis behandelt.
Damit wir die Probenarbeit noch intensiver machen konnten, hat Günter bald schon eine zweite Person mitgebracht, die mit uns proben konnte. Elo Tammsalu- Schmitz trat in unser Leben und damit auch die Thematik der intensiven Stimmbildung. Sie legte viel Fokus auf die Rhythmik, aber auch auf die Gesangstechnik, welche für viele von uns Neuland war. Ihre bildhafte Art des Einsingens, daran erinnern wir uns schmunzelnd zurück. So wurde sie für einige Jahre unsere Stimmbildnerin und das Einsingen übernahm sie in diesen Proben gleich mit.
Die Chormitglieder haben dies selber finanziell getragen und alle profitiert. Später sind auch Kairit Siidra und Peter Schulz mit zu Chorwochenenden gefahren. Auch sie haben den Chor auf ihre Art gefördert und gefordert. Wobei das Zusammenspiel von Günter mit Peter von blinder Natur war. Das mag daran liegen, dass Peter auch für kurze Zeit sein Orgelschüler war, die beiden also wussten, wie der andere musikalisch tickt. Günter war immer von seiner Leichtigkeit und seinem Können im Bereich Blues und auch Orgelspiel beeindruckt, welchen Peter gerne in seinen Improvisationen durchschimmern ließ.
Richtig schockiert war der Chor 2008, als die Nachricht kam, dass Günter schwer erkrankt ist. In den folgenden Jahren ging es ihm mal besser, mal schlechter. Oft quälte er sich zu den Proben, aber Günter ohne seine geliebte Musik war unvorstellbar. Unsere Probenwochen-enden waren nun auch im barrierefreien Haus der Pfadfinderinnen in Krekel. Nun konnten auch alle immer mitproben, denn Ursel Molitor übernahm das Kochen. Leider ist sie viel zu früh verstorben. Auch mit Andreas sind wir noch in Krekel zum Proben gewesen.
Immer wieder gab es Phasen, in denen Günter vertreten werden musste. Wir hatten großes Glück, dass wir in einer langen Phase mit Peter Schulz proben konnten.
Bei Auftritten hat uns dann auch Elo dirigiert, wenn Günter es nicht konnte. Für uns gut, da wir auftreten konnten, aber im Hinterkopf war die Sorge um Günter. Wann immer er es konnte, hat er Messen mitgestaltet, Liedwünsche berücksichtigt, war glücklich, Orgel spielen zu können. Über den Chorverteiler haben wir alle im März 2017 erfahren, dass Günter seiner Erlösung entgegen ging. Viele Chormitglieder haben zusammen für ihn in der Krankenhauskapelle gebetet, die anderen waren zuhause in Gedanken bei ihm. Wir als Chor haben uns zur Probenzeit in St. Aposteln getroffen, zusammen getrauert, geschwiegen, geweint, gesprochen, gesungen. Jeder wurde so akzeptiert, wie er/sie Bedarf hatte. Diese Gemeinschaft konnte auch das und hat unheimlich zusammengeschweißt.
Zum Glück hat Elo bei der Auferstehungsmesse für Günter all seine Chöre (Chorgemeinschaft St. Aposteln, Gaudeamuschor, Junger Chor, Kantatenchor und Missio-Chor) souverän dirigiert und Kairit uns am E-Piano begleitet. Sie und Kairit waren Profi genug für uns alle, damit wir singen konnten.
Als sich nach Günters Tod die Pfarre dazu bereit erklärt hatte, dass alle Chöre eigenständig weiter existieren können und sie für jeden Chor eine Chorleiter*in suchen und finanzieren würden, meinte das Schicksal es gut mit uns, denn Kairit Siidra übernahm uns als Chor im Trauerprozess. Kairit, die den Chor bis zum Finden eines neuen Kirchenmusikers leiten sollte, hat unsere Stimmung gut erkannt, nicht viele Worte gebraucht, uns einfach aufgefordert zusammen zu singen. Genau das, was Günter sich gewünscht hätte. „Fields of Gold“ war die perfekte Wahl zum Einstieg. Kairit ist eine sehr emphatische, rhythmisch sehr exakte und gut erklärende Chorleiterin, die unsere Chorgemeinschaft in diesen schweren Zeiten aufgefangen und uns dort abgeholt hat, wo wir standen. Dazu noch das Händchen, neue Musik auszuwählen, welche wie die Faust aufs Auge zum Jungen Chor passte.
Ein wunderschönes Konzert, „Come Fly With Me“, gaben wir im Frühjahr 2018 mit Kairit als unser erstes Konzert mit ihr und als unsere Art des ersten Jahresgedächtnisses für Günter. Und einer der Besucher unseres Konzertes war zum Glück unser jetziger Chorleiter Andreas Hoffmann, dem wir seit Sommer 2018 viel zu verdanken haben.
Die Pfarre suchte im Vorfeld nach einem neuen Regionalkantor für die Pfarre St. Gregor von Burtscheid. Das Rennen machte Andreas Hoffmann, ein begabter Pfälzer Musiker mit vielen Jahren Erfahrung in Chormusik, Popmusik und dem Orgelspiel. Auf unserem Sommerfest nach dem Konzert mit Kairit verkündete unser Pfarrer Hendriks, dass zukünftig Kairit und Andreas für unseren Chor als Doppelspitze fungieren würden, was uns sehr gefreut hat, da Kairit uns noch ein wenig erhalten bleiben würde.
Und so starteten wir nach den Ferien mit dem Programm für unser neues und erstes Konzert mit Andreas Hoffmann, die Proben für die „Missa Pacis“ von Tilman Jäger. Ein für den Jungen Chor ungewöhnliches Werk, das wir uns sehr lange erarbeitet haben, insbesondere die Ziffer „57“. Andreas übte mit uns geduldig und akkurat das Singen in Halbtonschritten, auf seine ganz eigene Art. Diese Messe führten wir in St. Gregorius auf, mit einer kleinen Band und sehr vielen Besuchern. Wir waren stolz, dieses Werk gemeinsam mit Andreas geknackt zu haben.
Andreas ist fachlich ein großer Gewinn für den Jungen Chor. Seine Gestik und Mimik in den Chorproben, um uns ins richtige Gefühl zum Singen zu bringen ist lustig, und bringt uns zum Schmunzeln. Seine Anregungen, die Lieder unterschiedlich zu singen, bringt uns viel weiter im Ausdruck, in der Sprache und in der Dynamik. Sehr beeindruckend sind seine vielen kleinen Ideen, die uns dazu bringen, die Stücke „echter“ zu singen: Vokale oder Konsonanten wegdenken, in einen Apfel beißen, ein „h“ davor denken.
Mittlerweile spricht er sogar viele rheinländische und öcher Platt-Wendungen und ist ein fester Teil unserer Pfarrgemeinschaft, Wir möchten ihn hier nicht mehr missen.
Er schafft es gerade jetzt, in der Probenzeit für unsere „Best of“-Stücke, jeden der alten Klassiker neu aufzuführen und einzustudieren. Viele Kleinigkeiten, die stimmlich und gesanglich dazu führen, dass ein sehr runder und harmonischer Klang entsteht. Wir alle mögen seine Einsingübungen sehr, Halbtonschritte singen und summen in SATB.
Andreas hat uns mit seiner beharrlichen Art gut durch die Corona-Zeit gebracht, indem er digitale Proben per Zoom oder per Jamulus angeboten hat. So konnten wir als Chor gemeinschaftlich die langen Zeiten ohne Proben gut überstehen und spätestens jetzt, im 33-jährigen Jubiläumsjahr, als Junger Chor mit knapp 40 Sänger*innen unser Jubikonzert aufführen. Wir haben uns als Sängerinnen und Sänger an Online-Video-Aktionen von Andreas beteiligt und auch zwei eigene Stück online eingesungen und selbst geschnitten.
Nach wie vor erstaunlich, aber sehr schön ist die Tatsache, dass sich unser Chor durch und nach der Pandemie nicht verkleinert, sondern im Gegenteil vergrößert hat. Immer wieder kamen Pfarrmitglieder hinzu, die unsere Konzerte gehört hatten und uns beitreten wollten.
Den größten Schwung an neuen Chorgeschwistern erhielten wir im Sommer 2022, als sich der Gaudeamuschor aufgelöst hatte. Wir waren froh und hießen die 8 Neuen herzlich willkommen. Sie sind mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Chores. Und es ist ein schönes Bild, dass einige aus Günters Gaudeamuschor nun bei uns ein neues Zuhause haben.
Und so verklingen die vielen Geschichten im Pfarrheim, an diesem unserem Abend der gemeinsamen Erinnerungen. Hier wurde viel gelacht, gesungen, gelebt, Gemeinschaft gefühlt und gemeinschaftlich ein 40köpfiger Chor über Jahrzehnte gepflegt. Wir nehmen sie mit, diese vielen kleinen Anekdoten, mit in unserem Gesang, in unseren Herzen, in unser Konzert. Im Gedenken an Günter, ohne den dieser Junge Chor nicht wäre. In liebevollen Gedanken an all unsere Wegbegleiter der letzten Jahre und mit freudigem Blick auf unseren geschätzten Chorleiter Andreas Hoffmann hinter dem Flügel, der Faxen macht, um unsere Stimmen zum Klingen zu bringen.