Vorbild

(c) Klara Keuken
Datum:
Mo. 28. Okt. 2019
Von:
Stefan Keuken

 

Eigentlich weiß ich’s ja: Wir werden nicht an unseren Worten, sondern an unseren Taten gemessen. Und irgendwie gibt’s ja den Drang, andere davon zu überzeugen, dass mein Wertegefüge das einzig richtige ist, welches die anderen doch gefälligst zu teilen haben. Also sollte ich mich konsequenterweise in all meinem Tun doch irgendwie vorbildlich verhalten, denn das eigene Tun ist demzufolge der einzig missionarische Ansatz mit Aussicht auf Erfolg.

Jetzt kommt der nächste Spruch: Wasser predigen, Wein trinken. Jou, der passt dazu. Muss ich wohl wieder auf was achten: Wenn ich zur Askese missionieren will, muss ich mich selbst so verhalten. Und wenn ich das Klima retten will … Saublöde Sache.

Und ich stelle noch was fest: „Worte“ müssen ja gesprochen werden, und das Sprechen ist eine Tat. Also werde ich wohl nicht daran gemessen, WAS ich sage, sondern WIE ich es sage. Darauf muss ich achten, wenn ich meine Kinder wieder anbrülle mit der Botschaft „ihr habt verdammt nochmal scheißfreundlich zum Onkel zu sein“.

Halt! Worte können auf vielfältigste Weise übertragen werden, nicht nur als Sprache, sondern als eMail, Twitter, Chat und Kommentar in sozialen Netzen. Da steht dann nur nackter Text. Da müssten wir also doch die Chance haben, dass wir platziert bekommen, WAS wir sagen, oder? Irgendwie ist aber das Gegenteil der Fall, und ich merke selbst, dass ich in jedem schriftlich fixierten Text danach suche, WIE er geschrieben ist. Wenn das nicht so wäre, könnten wir ersatzlos den Deutschunterricht abschaffen. Und mangels weiterer Kommunikationskontrolle über Sprache, Intonation und Gestik fange ich an, mir das WIE in kunterbunten Farben selbst auszumalen – gefährlich. Wie im Deutschunterricht. Deshalb höre ich jetzt und hier ganz schnell auf, sonst werde ich am Ende noch interpretiert.

Tagesimpulsarchiv